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Lebendige Traditionen - Naturkundliche Gruppenexkursionen

ADAJE - Exkursionen 2024

Am 22. August 2023 hat das Bundesamt für Kultur verschiedene lebendige Traditionen in die Liste der Praktiken aufgenommen, die das helvetische immaterielle Kulturerbe bilden. Zwei davon betreffen Neuenburg besonders: die Absinth-Kultur und naturkundliche Exkursionen. Die Öffentlichkeit kennt die historische Rolle der "fée verte" (Grünen Fee), doch die Gewohnheit, Wanderungen mit wissenschaftlichem Hintergrund zu organisieren, ist weit weniger berühmt. Dennoch wurde sie von bekannten Persönlichkeiten durchgeführt, trug zum Aufschwung der Naturwissenschaften bei und ermöglichte die Entwicklung der Feldbiologie, einer Disziplin, die in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts in der Schweiz nur an der Universität Neuenburg gelehrt wurde.

Die Expedition zu wissenschaftlichen Zwecken ist eine Aktivität, die es überall in der Schweiz und auf der Welt gibt. In der Region Neuenburg weist sie seit fast drei Jahrhunderten eine Besonderheit auf. Sie wurde als eine Aktivität des sozialen und gemeinschaftlichen Austauschs zur Tugend erhoben. Sie beinhaltet das praktizieren in Gruppen und das Teilen von Wissen.

Das Bedürfnis, sich zu treffen, zu raten und sich auszutauschen, scheint von den Botanikern des XVIII. Jahrhunderts zu stammen. Wie kann man wissen, ob es die Pflanzen einer Region auch anderswo gibt und ob andere sie bereits beschrieben haben? In Neuenburg katalogisierten die Naturalisten Laurent Garcin (1683-1751) und Jean-Antoine d'Ivernois (1703-1765) die Flora des Fürstentums.

1739 luden sie den Berner Botaniker Albrecht von Haller (1708-1777) zusammen mit zwei weiteren Gelehrten aus dem Jurabogen, Abraham Gagnebin (1707-1800) aus La Ferrière und Friedrich Salomon Scholl (1708-1771) aus Biel, zu einem Ausflug zum Creux-du-Van ein. Der Mercure suisse berichtet von diesem ersten Ausflug: "Le Tems s'étant remis au beau, le lendemain 1. Juillet, M. Hallser s'embarqua de nouveau pour le Creux-du-Van. M. le Docteur D'Ivernois, Médecin de Sa Majesté, dans cet Etat & M. Abraham Gagnebin de la Ferriére, dans l'Evéché de Porrentrui, se firent un devoir & un plaisir d'accompaagner nôtre Illustre Etranger, dans un Lieu qui leur étoit fort connu & où leur Inclination les portoit d'ailleurs. Ces Messieurs étant arrivés à St. Aubin, montèrent aussi-tôt la Montgagne & parvinrent, le même jour, à ce fameux Jardin de Botanique formé par la Nature. Ils passérent la Nuit dans la Maison qui est au bas du Creux où ils furent régalés, beaucoup mieux que la situation du Lieu ne sembloit promettre."

Ein Vierteljahrhundert später nahm die Gruppe einen berühmten Anfänger auf, Jean-Jacques Rousseau (1712-1778). Nach mehreren Fahrten mit Jean-Antoine d'Ivernois oder Abraham Gagnebin übernahm der Philosoph die Organisation von Exkursionen in Begleitung von vier Personen, die er sein "botanisches Kollegium" nannte.

Im Jahr 1838 eröffnete der Staat Neuenburg mit Unterstützung des Königs von Preußen, dem Herrscher des Fürstentums, die erste Akademie. Einer der jungen Professoren tat sich besonders hervor. Es handelt sich um Louis Agassiz (1807-1873). Ein Jahr zuvor hatte der Wissenschaftler seine Theorie über die Ausdehnung der Unteraargletscher in Gesellschaft eines halben Dutzends begeisterter Kollegen vorgestellt. Die Pioniere der Glaziologie wohnten im Hôtel des Neuchâtelois, einer Unterkunft, die unter dem Dach eines riesigen Schieferblocks auf der Mittelmoräne des Gletschers eingerichtet worden war.

Einer der Weggefährten von Louis Agassiz, der Geologe Edouard Desor (1811-1882), förderte die Praxis der Naturbeobachtung in der Gruppe noch stärker. Im Jahr 1865 wurde er zum Ehrenpräsidenten des von Heinrich-Volkmar Andrea, Auguste Bachelin, Louis Favre und Louis Guillaume gegründeten Club Jurassien ernannt. Das Motto lautete "Natur, Freundschaft, Kulturerbe". Schon im ersten Jahr nehmen Dutzende von jungen Leuten an den Exkursionen dieser Naturforscher teil. Desor begnügte sich nicht damit, den Jüngsten die Wissenschaft schmackhaft zu machen. Er überzeugte den Staatsrat davon, die 1848 während der Neuenburger Revolution aufgelöste Akademie wieder ins Leben zu rufen. Diese zweite Akademie wurde 1866 geboren und 1909 in die Universität Neuchâtel umgewandelt. Der Biologieunterricht konzentrierte sich bald auf gemeinsame Exkursionen, bei denen die Ansichten über die Natur der Dinge ausgetauscht wurden. Diese Praxis wurde Mitte der 1960er Jahre durch die Einrichtung mehrerer Lehrstühle für Botanik und Zoologie ausgeweitet. Die Universität Neuenburg war zu dieser Zeit für ihre Ausbildung in Feldbiologie bekannt und zog Studentinnen und Studenten aus der lateinischen Schweiz an.

Sie bildet eine bedeutende Anzahl von systematisch arbeitenden Biologen aus, die auf die Bestimmung von Pflanzen-, Tier- und Pilzarten spezialisiert sind und so die Erstellung von Inventaren ermöglichen. Es ist ganz natürlich, dass das Schweizer Zentrum für die Kartografie der Fauna (heute Info Fauna) Anfang der 1980er Jahre in Neuenburg entsteht.

Im Rahmen seiner Aktualisierung wollte das Bundesamt für Kultur den Beitrag der Traditionen zu einer nachhaltigeren Welt hervorheben. Naturkundliche Wanderungen in Gruppen sind eine Quelle des Austauschs und der Wissensbereicherung. Gesellschaftlich gesehen ermöglicht das Teilen von Anliegen rund um die Natur, ihrem Schutz Rechnung zu tragen. Dank dieser Treffen vor Ort waren Naturobjekte und Landschaften im Kanton Neuenburg die ersten, die in der Schweiz unter Schutz gestellt wurden: der Findling von Pierre-à-Bot im Jahr 1838 und die Geröllhalden von Creux-du-Van, die 1876 vom Club jurassien gekauft wurden.

Blaise Mulhauser
Botanischer Garten Neuenburg